Jikji, das älteste mit beweglichen Lettern aus Metall gedruckte Buch

 

Über die frühe Druckkultur in Südkorea – Ein Besuch in Cheongju

Lange bevor es Gutenberg in Mainz gelang, die Kunst des Buchdruckes mit beweglichen Lettern zu etablieren, gab es bereits in Fernost funktionstüchtige Verfahren des Typendruckes. Dies wurde der breiten Öffentlichkeit spätestens mit der Teilnahme der Koreanischen Republik als Gastland bei der Frankfurter Buchmesse im Jahr 2005 deutlich werden.

Im Jahr 2001 hatte ich die erste Begegnung mit einem koreanischen Druckkünstler. Damals kam der Leiter von Haingraph in Seoul, Ryu Myeong-Sik, zusammen mit Mitarbeitern der Heidelberger Druckmaschinen AG zum Lithographieren in mein Gernsheimer Atelier. Hier in der Schöfferstadt werden die riesigen Druckmaschinen der Firma zur Verschiffung in den Containerhafen gebracht. Nachdem die Lithographie mit meiner Hilfe fertig gestellt war, überreichte mein Gast als Geschenk einen Katalog seiner Arbeiten. Eines der Bilder beschäftigte sich mit der Einführung des Hangul, des 1446 durch König Sejong eingeführten koreanischen Alphabetes. Bis daher verwendete man die chinesischen Schriftzeichen. Es war die Zeit, in der Gutenberg in Straßburg möglicherweise Versuche mit beweglichen Lettern anstellte. Allerdings kann dieser Zeitpunkt der ersten Druckversuche des Erfinders nicht eindeutig nachgewiesen werden.

  Nach dem Besuch lese ich die Niederschrift eines Vortrages des ehemaligen Leiters des Gutenberg-Museums, Aloys Ruppel. 1953 an der Universität Kopenhagen stellte er die Frage: „Haben die Chinesen und Koreaner die Buchdruckerkunst erfunden?“ Ruppel zitiert den fesselnden Bericht des chinesischen Staatsmannes Shen Kuo aus dem hervorgeht, dass ein einfacher Mann Namens Pi Sheng schon um 1040 mit Schriftzeichen aus Ton druckte. Allerdings fehlen die Nachweise, inwiefern es nach dem Tode dieses Mannes Fortsetzungen

gab. Nun sind die Bildzeichen der Chinesen sehr zahlreich, das Zusammensetzen, Zurücksortieren und neu Anordnen hat sich offensichtlich bei in die Tausende gehenden Zeichen nicht gerechnet. Aber der Druck von ganzen Holztafeln wurde weiterhin praktiziert. Ruppel erwähnt auch den koreanischen Fürsten T’ai Tsung, der schon im Jahre 1403 den Wunsch äusserte, Holztafeldrucke durch gegossene Kupfertypen zur ersetzen. Etwa zu dieser Zeit wurde Gutenberg geboren. Die verschiedenen Techniken der fernöstlichen Druckkunst sind in der Asienabteilung des Gutenberg-Museums in einer Dauerausstellung zu besichtigen.

Die nächste Begegnung mit Korea kommt überraschend. Der frühere Hauptkurator des Early Printing Museums von Cheongju, Hwang Jeong Ha kommt mit dem Fernsehproduzent Yoon Seong Nam, zum Lithographieren. Organisiert hatte diesen Besuch Claus Maywald, Kurator am Mainzer Gutenberg-Museum. Wieder gelingt die Lithographie, Hwang zeichnet ein Buch, das Jikji, und einen Tempel auf den Stein. Als Geschenk gibt es diesmal ein kleines Büchlein, eine verkleinerte Replik aus Kunststoff. Diese knapp vier Zentimeter große Devotionalie wurde angefertigt, um von einem ganz wichtigen kulturellen Schritt in Korea berichten. Ungläubig betrachte ich den „Beipackzettel“, dem ich entnehme, dass dieses Buch schon 1377 mit Lettern aus Metall gedruckt wurde. Erst langsam wird mir bewusst, dass dieses Jikji genannte Buch gemeinsam mit der 42zeiligen Gutenberg-Bibel zu Anfang des neuen Jahrtausends in das Weltkulturerbe der Unesco aufgenommen wurde.

Inzwischen hatte sich offensichtlich die von mir gepflegte Steindrucktechnik herumgesprochen, mein Gästebuch füllte sich mit immer mehr koreanischen Einträgen. Sogar der schwere Solnhofener Kalkschiefer wurde als Andenken im Gepäck mit nach Korea genommen. Ich saß inzwischen auf Einladung des Gutenberg-Museums im Flugzeug nach Seoul. Während des elfstündigen Fluges wurden die Aufgaben verteilt. Die Exponate zur Buchillustration des 15. und 16. Jahrhunderts wird die Museumsdirektorin Eva Hanebutt-Benz aufbauen, die Technik des Buchbindens übernimmt Claus Maywald und ich selbst bin zur Demonstration der Verfahren des manuellen Bilddruckes eingeteilt. Wir landen. Nach dem Zoll gebe ich zur Erleichterung der Mitreisenden die erfolgreiche Einfuhr von 42 Kilogramm Chemie und Material für die Vorführung bekannt. Vier Stunden später kommen wir mit dem Bus in Cheongju an, können uns kaum der Gastfreundlichkeit erwehren. Obwohl uns der Aufbau der Ausstellungen sehr am Herzen liegt, geben wir uns mit einem kurzen Blick in das Early Printing Museum zufrieden.

Der nächste Tag vergeht mit dem Aufbau der Ausstellungen. Ein bedauerlicher aber leicht zu verzeihender Übersetzungsfehler bei den Erklärungstafeln hatte sich eingeschlichen: „Der Hunddruck“. Nun kommt der Tag der Vorträge für die Professoren und Studenten der ChungBuk National University. Suchte ich noch vor zwei Jahren allein in den Schriftsystemen die Ursache der unterschiedlich schnellen Verbreitung der Buchdruckerkunst in Asien und Europa, so kamen jetzt neue Aspekte hinzu. Dachte ich noch vor einiger Zeit: Gutenberg brauchte mit den Buchstaben des Alphabetes und einiger Ligaturen (dies sind mehrere Buchstaben, die gemeinsam gegossen wurden) nur knapp 260 verschiedene Drucktypen! Ganz anders musste die Technik in Ostasien, mit den unendlich vielen Zeichen sein! Nun war 1446 aber schon das Hangul mit 24 Zeichen in Korea eingeführt?

Entscheidende Hinweise zur Beantwortung dieser Frage gab Eva Hanebutt-Benz in ihrem Vortrag in der City Hall am 2. September 2004. Die Verschiedenartigkeit der Papierqualitäten in Asien und Europa ermöglichten oder forderten sogar unterschiedliche Druckverfahren: „Während in Asien ein sehr reissfestes, dünnes Papier hergestellt wurde, das bei Reiberdrucken ein schnelles Abziehen möglich machte, brauchte das nicht so reissfeste aber dickere europäische Papier aus Leinenhadern sehr viel Druck, damit die Farbe vom Druckstock angenommen wurde.“ Beim manuellen Reiberdruck entstand so ein deutliches Relief auf der Rückseite des Papiers. „Die Druckpresse war nun das Instrument, das klare Abdrucke auf dem Papier möglich machte, ohne dass ein Relief entstand, welches das Bedrucken der Rückseite verhinderte.“ Und noch einen weiteren Grund für die Mechanisierung von Druck und Letternherstellung nannte Eva Hanebutt-Benz : „Da in Europa der Ehrgeiz offenbar darin bestand, gedruckte Bücher zu schaffen, die genauso qualitätvoll wie handgeschriebene aussehen sollten, musste eine Methode gefunden werden, die das gewährleistete: Die serielle Produktion der Drucklettern durch das Handgießinstrument“.

Bei dieser technischen Ausgestaltung waren im Gegensatz zum Handreiberdruck viele zeitaufwändige Vorbereitungen zu treffen. So muss der Rentabilitätsdruck auf mittelalterlichen Werkstätten enorm gewesen sein. Höhere Auflagen und damit die Entwicklung eines Vertriebssystems wurden erforderlich.

Im Jahre 1978 entdeckte die koreanische Bibliothekarin der Bibliothèque Nationale in Paris Park Byeng Sen die Bedeutung des Jikji für die Druckgeschichte und für die koreanische Kultur. Dieses Buch, das sich seit 1943 im Besitz des französischen Staates befindet, enthält im Impressum Hinweise, die es eindeutig als Druck mit Schriftzeichen aus Metall – entstanden im Jahre 1377 während der Goryeo Dynastie – ausweisen. Die Biographie eines buddhistischen Mönches wurde demnach rund 75 Jahre vor der 42zeiligen Gutenberg Bibel veröffentlicht!

 Jikji Festival 2004 

 

Nun aber zurück nach Cheongju, der südkorenischen Stadt, die nicht zum ersten Mal das Jikji-Festival ausrichtete. Die Veranstalter zeichneten sich durch einen kaum zu überbietenden Stolz auf ihre Kultur und ihre im Aufbau befindliche Industrienation aus. So durften wir uns in einer Vielzahl von Darbietungen davon überzeugen, wie Korea die westliche Welt mit der heimischen Traditon bekannt machen will. Schon die Eröffnungsfeier mit etwa 2000 Gästen und zahlreichen artistischen Darbietungen und Videoanimationen war ein Ereignis! Bei dieser Gelegenheit schloss das Early-Printing-Museum neben der bestehenden Partnerschaft zum Gutenberg-Museum freundschaftliche Beziehung zum Toppan-Museum in Tokio. Erstaunlich war auch die Rekonstruktion des Sandformverfahrens durch Lim In-Ho. Dabei wurde der Guss der Schriftzeichen mit flüssiger Bronze aus dem Schmelzofen durch Yoon Myon Cheol vorgeführt, der ebenfalls den Druck fertig gesetzter Seiten zeigte. Nicht weniger interessant war die Methode der Papierherstellung aus der Rinde des Maulbeerbaumes. Die architektonische Gestaltung des Early-Printing-Museums ließ eine moderne Druckmaschine erkennen, im Inneren jedoch stellten etwa 50 lebensgroße animierte Puppen die Prozesse des Gusses im Sandform und Wachsausschmelzverfahren im 14. Jahrhundert dar. Durch Lichtschranken gesteuert begannen sie zu besprechen und Bewegungen auszuführen, leider nur in koreanische Sprache. Aber die Dolmetscher gaben uns Auskunft über die Herstellung der so bedeutenden Inkunabeln. Zahlreiche davon sind übrigens im Museum zu besichtigen, wie auch eine Sonderausstellung mit asiatischen Bucheinbänden.

Die Teilnahme an meinen Druckverführungen war groß, überraschend auch die Disziplin der vielen Schulklassen. Oft assistierten koreanische Schüler, manchmal auch der neue Leiter des Museums Lee Seung-cheol. Auch die inzwischen über achtzigjährige Entdeckerin Park Byeng-sen ließ es sich nicht nehmen tatkräftig anzupacken, um mich von den Vorteilen des koreanischen Rindenbastpapieres zu überzeugen.

Wer das neue Mainzer Gutenberg-Denkmal aus dem Jahre 1997 kennt, auf den wirken die Steinblöcke mit Alphabeten aus der ganzen Welt rund um die City-Hall wenig geplant. Aber auch dies ist eine weitere Bemühung Koreas um auf seine Druckkultur aufmerksam zu machen. Eine Briefmarke zum Jikji mit einem Sonderstempel aus dem Jahre 2003 ist ein zusätzlicher Fingerzeig. Zu erwähnen wäre die meiner Auffassung nach äußerst gelungene Jikji-Oper, die 2000 zur Jahrtausendwende in Seoul uraufgeführt und beim Jikji-Festival in der City-Hall gezeigt wurde. Hatte man sich erst an die etwas zackige koreanische Sprache gewöhnt, konnte man eine klassische Oper verfolgen, die durch Choreographie, Darsteller, Musik und Bühnenbild voll überzeugte. Inhaltlich drehte es sich wieder um die Erfindung des Typengusses zur Zeit des Mongolenüberfalles während der Goryeo-Dynastie. Schade, dass die Zeit für einen zweiten Besuch nicht reichte! Die große Gastfreundlichkeit und die äußerst leckere und abwechslungsreiche Küche bleiben ebenfalls in dauerhafter Erinnerung.

 Siehe auch "Der Mainzer Psalter": Vortrag für das Early Printing Museum CheongJu – Koreanische Republik am 4. September 2007 - "550 Jahre Mainzer Psalter und die Erstverwendung der zweifarbigen Initialen durch die Offizin Fust-Schöffer (550 역사의 마인쯔 시편과 푸스트 쉐퍼 인쇄소에 의한 최초의 2 이니셜 도입 )"   

 

Impressionen der Wanderausstellung 2010/11 

 

 

  Ausstellung im Early-Prining-Museum CheonJu, Koreanische Republik

 

 

 

 

 

 

 

 

Ausstellung im Printmaking-Museum Jincheon, Koreanische Republik 2011